1.2 CO2-Emissionen aus Kehrichtverwertungsanlagen (KVA)

Die CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Abfällen in KVA betragen ca. 2.1 Mio. Tonnen. In diesem Abschnitt wird dargestellt, wie und warum diese Emissionen entstehen.

Das schweizerische Umweltschutzgesetz (USG) schreibt vor, dass Abfälle für die Ablagerung so behandelt werden müssen, dass sie möglichst wenig organisch gebundenen Kohlenstoff enthalten (USG Art. 30c Abs.1). Organisch gebundener Kohlenstoff ist auf Deponien unerwünscht, weil er dort zur Bildung von Methan (CH4) führt, einem stark klimawirksamen Gas. Diese gesetzliche Bestimmung wird in der entsprechenden Ausführungsverordnung (Abfallverordnung, VVEA) mit einem Deponieverbot für Abfälle, die mehr als 2 Gewichtsprozente organischen Kohlenstoffes enthalten, umgesetzt (Anhang 5 Ziff. 5.2 VVEA).

Es gibt aber viele Abfälle, die weit mehr als zwei Gewichtsprozent Kohlenstoff enthalten: Siedlungsabfälle enthalten beispielsweise ca. dreissig Gewichtsprozent organischen Kohlenstoff, Klärschlamm und brennbare Bauabfälle (vorwiegend Altholz) noch mehr. Diese kohlenstoffreichen Abfälle dürfen nicht auf Deponien abgelagert werden. Es braucht zuerst eine Senkung ihres Kohlenstoffgehaltes.

Die einzige Möglichkeit, den Kohlenstoffgehalt des Abfalls zu senken, ist die Verbrennung, d.h. die Oxidierung des Kohlenstoffes (C) zum gasförmigen Kohlenstoffdioxid CO2. Diese Tatsache widerspiegelt sich in Artikel 10 der Abfallverordnung, der eine Pflicht zur thermischen Behandlung für brennbare Abfälle vorschreibt. Den im Abfall enthaltenen Kohlenstoff in CO2 umzuwandeln ist daher eine gesetzliche Pflicht. Die CO2-Emissionen aus der thermischen Behandlung von Abfällen entstehen somit nicht als Konsequenz einer frei steuerbaren wirtschaftlichen Aktivität, sondern aus der Wahrnehmung eines gesetzlich vorgeschriebenen Entsorgungsauftrags.

Die KVA-Betreiber haben die Pflicht, die angelieferten Abfälle gesetzkonform zu behandeln. Sie müssen diese möglichst vollständig verbrennen, damit die Rückstände (Schlacke) höchstens zwei Gewichtsprozent unverbrannte Anteile, gemessen als gesamter organischer Kohlenstoff, enthalten (Art. 32 Abs.2 Bst. e VVEA). In anderen Worten, die KVA-Betreiber sind gesetzlich verpflichtet, den im Abfall enthaltenen Kohlenstoff möglichst vollständig in CO2 umzuwandeln. Sie müssen in diesem Sinne die CO2-Emissionen der KVA maximieren, um spätere, viel klimaschädlichere CH4-Emissionen aus Deponien zu vermeiden.

Die CO2-Emissionen, die bei der Verbrennung einer Tonne Abfall entstehen, hängen ausschliesslich vom Kohlenstoffgehalt des angelieferten Abfalls ab. Dieser Parameter kann nicht routinemässig gemessen und kann vom Anlagebetreiber nicht beeinflusst werden. Damit bleibt festzuhalten, dass der Betreiber einer KVA keinen direkten Einfluss auf die CO2-Emissionen seiner Anlage hat.

1.2.1 Berechnung der CO2-Emissionen aus KVA

Die CO2-Emissionen werden in zwei Kategorien unterteilt: fossil, wenn der Kohlenstoff fossilen Ursprungs ist (Erdöl, Kohle, Erdgas) und biogen, wenn der Kohlenstoff pflanzlichen Ursprungs ist (Holz, Papier, Kautschuk, usw.). Emissionen, welche durch die Verbrennung von biogenem Kohlenstoff entstehen, gelten als klimaneutral. Massgebend für die Treibhausgasbilanz ist nur der fossile Anteil der Emissionen.

Abfall ist ein heterogenes Gemisch, das sowohl fossilen als auch biogenen Kohlenstoff enthält. Der Anteil an fossilem Kohlenstoff in einem Gemisch kann mit einer Messung des Kohlenstoffs-Isotopen 14C ermittelt werden. Messungen der KVA-Abgase mit dieser Methode haben ergeben, dass der Anteil an fossilem C im Abfall bei 48 % liegt. Damit sind nur 48 % der CO2-Emissionen aus der Abfallverbrennung klimarelevant.

Es ist sehr umständlich, den gesamten Kohlenstoffgehalt im Abfall zu messen. Da aber die Oxydation von C zu CO2 Energie freisetzt, besteht eine empirische Korrelation zwischen dem Heizwert des Abfalls und seinem Kohlenstoffgehalt. Diese Korrelation lässt sich wie folgt ausdrücken:

\[\begin{equation} C_{Total} \left[ \frac{g}{kg} \right] = 264 + \left( Hu \left[ \frac{MJ}{kg} \right] - 10 \right) \times \frac{98}{5} \tag{1.1} \end{equation}\]

Mit

  • \(C_{Total}\) der Gehalt an organischem Kohlenstoff (fossil und biogen) des Abfalls in g C pro kg Abfall
  • \(Hu\) der Heizwert des Abfalls in MJ pro kg, hergeleitet aus der gemessenen Dampfproduktion im Kessel der KVA.

Der Heizwert von Abfall beträgt 11 bis 12 MJ pro kg1. Setzt man diese Werte in der obigen Formel ein, ergeben sich Werte zwischen 283.6 und 303.2 g C pro kg für den gesamten Gehalt an organischen Kohlenstoff im Abfall.

Wie oben erwähnt sind nur 48 % des gesamten Kohlenstoffs fossilen Ursprungs.

\[\begin{equation} C_{fossil} \left[ \frac{g}{kg} \right] = 0.48 \times C_{Total} \left[ \frac{g}{kg} \right] \tag{1.2} \end{equation}\]

Geht man von einer vollständigen Umwandlung des fossilen C in CO2 aus (was mit einer Zunahme des Molekulargewichtes von 12 auf 44 verbunden ist), kann man nun den Emissionsfaktor für fossiles CO2 aus der Abfallverbrennung berechnen:

\[\begin{equation} EF\ CO_{2, fossil}\left[ \frac{g}{kg} \right] = \left( 0.48 \times C_{Total} \left[ \frac{g}{kg} \right] \right) \times \frac{44}{12} \tag{1.3} \end{equation}\]

Liegt der Heizwert zwischen 11 und 12 MJ pro kg, ergeben sich Emissionsfaktoren zwischen 499 und 534 g fossiles CO2 pro kg Abfall2. Bei einer verbrannten Abfallmenge von 4 Millionen Tonnen entstehen demnach ca. 2.1 Millionen Tonnen fossiles CO2.

1.2.2 Möglichkeiten und Grenzen der Reduktion der CO2-Emissionen aus KVA

Wie oben erwähnt werden die CO2-Emissionen aus KVA ausschliesslich durch Menge und Zusammensetzung der verbrannten Abfälle bestimmt. Der Betreiber ist verpflichtet, die angelieferten Abfälle möglichst vollständig zu verbrennen und kann daher die dabei entstehenden CO2-Emissionen nicht beeinflussen.

Abgesehen von Carbon Capture, also die Abscheidung von CO2 aus dem Rachgas, gibt es keine direkte Möglichkeit, die CO2-Emissionen aus der Abfallverbrennung zu reduzieren. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, die CO2-Emissionen indirekt zu reduzieren:

  • Nutzung der Abwärme
    Die Verbrennung von Abfällen setzt Energie in der Form von Abwärme frei. Durch Nutzung dieser Abwärme können fossile Energieträger ersetzt werden. Dadurch werden indirekt die CO2-Emissionen der Schweiz reduziert.

  • Rückgewinnung der Metalle aus den Verbrennungsrückständen
    Aus der Schlacke und aus Filteraschen können Metalle rückgewonnen werden. Werden diese wieder in den Wirtschaftskreislauf eingegeben, müssen weniger Metalle aus Lagerstätten abgebaut werden. Dies spart natürliche Ressourcen. Das Recycling von Metallschrott verbraucht zudem viel weniger Energie als die metallurgischen Prozesse zur Gewinnung von Metallen aus Erzen. Dadurch werden die globalen CO2-Emissionen indirekt reduziert.

  • KVA-interne Effizienzmassnahmen
    Effizienzmassnahmen führen zur Senkung des Eigenverbrauchs, damit mehr Energie (Strom oder Wärme) an Dritte geliefert werden kann.

  • Reduktion des Imports von Abfällen
    Durch Reduktion der Abfall-Importe könnten die Emissionen im Inland reduziert werden. Wenn aber die ausländischen Abfälle im Ausland deponiert werden, entstehen insgesamt mehr Treibhausgase als bei der Verbrennung dieser gleichen Abfälle in der Schweiz.

  • Die Produktion von Strom
    Da die Schweiz eine im Schnitt CO2-arme Stromproduktion hat, trägt die zusätzliche Stromproduktion aus KVA kaum zu einer Abnahme der CO2-Emissionen bei.


  1. Im Treibhausgasinventar wird ein Wert von 11.4 MJ/kg angenommen. Faktenblatt CO2-Emissionenfaktoren des Treibhausgasinventars der Schweiz, Röthlisberger Regine, BAFU, 01/2016, Tabelle 2.

  2. Im Treibhausgasinventar wird für das Jahr 2013 ein Emissionsfaktor von 506.7 g CO2,fossil angenommen (ibid, Tabelle 2)