3.1 Einfluss der Witterung auf die Netto-CO2-Emissionen

Die KVA speisen Wärme in Fernwärmenetze ein. Wieviel Wärme aus Fernwärmenetzen bezogen wird, hängt hauptsächlich von der Art und Anzahl der angeschlossenen Kunden und von der Witterung ab. Die Zielwerte der Vereinbarung enthalten keine Witterungskorrektur. In diesem Abschnitt wird zur Illustration der Einfluss der Witterung quantifiziert. Insbesondere wird folgende Frage untersucht:

Frage:
Wieviel Wärme hätten die KVA abgesetzt, wenn alle Jahre gleich viele Heizgradtage wie das Referenzjahr 2010 gehabt hätten?

Es ist zu vermerken, dass das Referenzjahr 2010 im langjährigen Vergleich aussergewöhnlich kalt war, wie die Abbildung 3.2 zeigt.

Abbildung 3.2: Die mittlere Temperatur in der Schweiz ab dem Jahr 1998. Quelle: Begert M, Frei C. Area-mean temperatures of Switzerland. DOI: 10.18751/Climate/Timeseries/CHTM/1.0, 10.05.2018

Die Anzahl Heizgradtage ist für die Schweiz aggregiert und wird der Gesamtenergiestatistik des Bundesamts für Energie entnommen5.

Tabelle 3.1: Aggregierte Heizgradtage (HGT) nach Gesamtenergiestatistik des BFE (vorläufige Zahl für das Jahr 2018, da GES 2018 noch nicht erschienen ist). Die zweite Zeile zeigt die indexierten Werte auf Basis Jahr 2010 = 100 %
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
HGT 3’586 2’938 3’281 3’471 2’782 3’075 3’281 3’233 2’891
HGT, indexiert 100 81.9 91.5 96.8 77.6 85.8 91.5 90.2 80.6

In Absprache mit dem Bund wurde folgender Modellierungsansatz gewählt:

Die von den KVA abgegebene Wärme lässt sich in zwei Anteile aufteilen:

  • Witterungsunabhängiger Anteil: Dieser Anteil hängt nicht von der Anzahl Heizgradtage ab. Er besteht hauptsächlich aus industrieller Prozesswärme und aus der Wärme, die zur Produktion von Warmwasser in den ans Fernwärmenetz angeschlossenen Gebäuden verbraucht wird.

  • Witterungsabhängiger Anteil: Das ist der Anteil, der zum Beheizen von Gebäuden verbraucht wird.

Annahme:
Der witterungsabhängige Anteil der abgegebenen Wärme hängt linear von der Anzahl Heizgradtage ab.

Der VBSA hat das Beratungsunternehmen Rytec AG beauftragt, die Aufteilung zwischen HGT-abhängiger und HGT-unabhängiger Wärmeabgabe zu schätzen. Dazu wurde ein Bottom-up Ansatz gewählt: für jede Anlage und jedes Jahr zwischen 2009 und 2015 wurde die prozentuale Aufteilung zwischen HGT-abhängiger und HGT-unabhängiger Wärmelieferungen gerechnet. Daraus wurde ein gesamtschweizerischer Mittelwert gerechnet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3.2 aufgeführt.

Tabelle 3.2: Erhobene Wärmeabgabe und berechneter witterungsunabhängiger Anteil für die Jahre 2010–2015.
2010 2011 2012 2013 2014 2015
Wärmeabgabe gesamt, GWh 3’041 2’910 2’972 3’105 3’055 3’395
Davon HGT-unabhängig (%) 52 55 56 55 55 56

Aus Tabelle 3.2 wird ersichtlich, dass über 50 % der Wärme als witterungsunabhängige Wärme abgegeben wird. Der Anteil an witterungsunabhängiger Wärme variiert zwischen 52 und 56 % und wird von der Nachfrage der Industriekunden (Papierfabriken, Raffinerie, Chemieindustrie, Grosswäschereien, Kläranlagen, usw.) nach Prozesswärme gesteuert. Die angegebene prozentuale Aufteilung ist eine relativ grobe Schätzung. Für die weitere Modellierung wird daher folgender vorsichtiger Wert (im Sinne einer unteren Grenze) für die Jahre 2010 bis 2015 angenommen:

Annahme:
HGT-unabhängiger Anteil der Wärmeabgabe: 60 % (konstant)

Die Aufteilung zwischen witterungsabhängiger und witterungsunabhängiger Wärmeabgabe lässt sich nach dieser Annahme einfach berechnen (Tabelle 3.3).

Tabelle 3.3: Erhobene Wärmeabgabe und witterungsabhängiger Anteil für die Jahre 2010–2018.
Wärmeabgabe, GWh 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Wärmeabgabe gesamt 3’041 2’910 2’972 3’105 3’055 3’395 3’600 3’696 3’732
HGT-abhängig, 40% 1’216 1’164 1’189 1’242 1’222 1’358 1’440 1’478 1’493
HGT-unabhängig, 60% 1’825 1’746 1’783 1’863 1’833 2’037 2’160 2’218 2’239

Mit den zwei oben eingeführten Annahmen zum HGT-unabhängigen Anteil sowie zur Linearität kann die Wärmeabgabe für jedes Jahr in einer Grafik dargestellt werden.

Wärmeabgabe der 30 KVA (Summe) als lineare Funktion der Anzahl Heizgradtage für das Referenzjahr 2010. Der Intersektionspunkt mit der vertikalen Achse (Anzahl Heizgradtage = 0) ist die HGT-unabhängige Wärmeabgabe. Der zweite Punkt hat als X-Koordinate die Anzahl Heizgradtage im Jahr 2010 und als y-Koordinate die Wärmeabgabe 2010.

Abbildung 3.3: Wärmeabgabe der 30 KVA (Summe) als lineare Funktion der Anzahl Heizgradtage für das Referenzjahr 2010. Der Intersektionspunkt mit der vertikalen Achse (Anzahl Heizgradtage = 0) ist die HGT-unabhängige Wärmeabgabe. Der zweite Punkt hat als X-Koordinate die Anzahl Heizgradtage im Jahr 2010 und als y-Koordinate die Wärmeabgabe 2010.

Die gleiche Grafik kann für jedes Jahr gemacht werden und anschliessend durch eine lineare Extrapolation zur Referenz-HGT aus dem Jahr 2010 ergänzt werden, damit man für jedes Jahr die fiktive Wärmemenge berechnen kann, die abgegeben worden wäre, wenn das betroffene Jahr gleich viele Heizgradtage gehabt hätte wie das Referenzjahr 2010. In der Abbildung 3.4 stellt man fest, dass die HGT-korrigierte Wärmeabgabe um einiges höher liegt als die tatsächlich im Jahr 2018 abgegeben Wärme. Weiter kann man beobachten, dass die Steigung der Gerade für das Jahr 2018 grösser ist als für 2010. Dies bildet der starke Aufbau der Fernwärmenetze, der in den letzten Jahren stattgefunden hat, ab.

Wärmeabgabe als lineare Funktion der Anzahl Heizgradtage für die Jahre 2010 und 2018. Der Schnittpunkt der dünnen violetten mit der vertikalen grünen Linie (2018 HGT-korrigiert) zeigt die Wärmemenge, die 2018 abgegeben worden wäre, wenn 2018 gleich viele Heizgradtage wie 2010 gehabt hätte, nämlich 4’090’703 MWh

Abbildung 3.4: Wärmeabgabe als lineare Funktion der Anzahl Heizgradtage für die Jahre 2010 und 2018. Der Schnittpunkt der dünnen violetten mit der vertikalen grünen Linie (2018 HGT-korrigiert) zeigt die Wärmemenge, die 2018 abgegeben worden wäre, wenn 2018 gleich viele Heizgradtage wie 2010 gehabt hätte, nämlich 4’090’703 MWh

Berechnet man für jedes Jahr die nach Anzahl Heizgradtagen korrigierte abgegebene Wärmemenge, ergeben sich folgende Ergebnisse:

Tabelle 3.4: Wärmeabgabe in GWh mit (HGT-korrigiert) und ohne witterungsbedingert Korrektur (Gesamt) sowie die Differenz in Prozent bezüglich ‘Gesamt’
Wärmeabgabe, GWh 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Gesamt 3’041 2’909 2’971 3’105 3’055 3’395 3’600 3’696 3’731
HGT-korrigiert 3’041 3’166 3’082 3’146 3’408 3’620 3’734 3’857 4’090
Differenz (%) 0 8.8 3.7 1.3 11.6 6.7 3.7 4.4 9.6

Setzt man die HGT-korrigierte Wärmeabgabe anstelle der unkorrigierten Wärmeabgabe in der Berechnung der Netto-CO2-Emissionen ein, ergibt sich folgende Situation:

Tabelle 3.5: Netto-CO2-Emissionen in Mio.t CO2-eq: Zielpfad gemäss Vereinbarung (Zielpfad), unkorrigierte Netto-CO2-Emissionen (Netto-Em.) und HGT-korrigierte Netto-CO2-Emissionen (Netto-Em, HGT-korr.).
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Zielpfad 1.14 1.12 1.10 1.08 1.06 1.04 1.02 1.00 0.98
Netto-Em. 1.15 1.17 1.18 1.10 1.14 1.11 1.07 1.07 1.06
Netto-Em., HGT-korr. 1.15 1.11 1.15 1.09 1.06 1.05 1.04 1.03 0.98

Es fällt auf, dass die HGT-korrigierten Netto-Emissionen mit Ausnahme des Jahres 2012 nur geringfügig über dem Zielpfad liegen. Die Ergebnisse aus Tabelle 6 sind in Abbildung 25 graphisch dargestellt.

Abbildung 3.5: Netto-CO2-Emissionen als Mio.t CO2-eq: Zielpfad, unkorrigierte und HGT-korrigierte Netto-CO2-Emissionen.

Aus der obigen Darstellung stellt man fest, dass die Witterung, insbesondere die Anzahl Heizgradtage, einen grossen Einfluss auf die Wärmeabgabe und damit auf die Netto-CO2-Emissionen hat. Wird eine Korrektur für die Anzahl Heizgradtage einberechnet, würden die vereinbarten Ziele fast eingehalten werden können. Ohne Berücksichtigung der ausserordentlich milden Winter 2011, 2014 und 2015 und 2018 weichen die Netto-Emissionen signifikant vom vereinbarten Zielpfad ab.


  1. Gesamtenergiestatistik, jährliche Ausgabe durch das Bundesamt für Energie, Tabelle T43A