3.2 Prognose

3.2.1 Szenarien

Wie oben dargestellt, haben externe Faktoren, wie zum Beispiel die Witterung, einen sehr grossen Einfluss auf die Netto-CO2-Emissionen und damit auf die Zielerreichung. Weitere Faktoren, die die Zielerreichung massgebend beeinflussen, sind die Entwicklung der verbrannten Abfallmenge und die Verbesserung der Metall-Rückgewinnung. Diese zwei Faktoren können im Monitoring-Tool variiert werden. Damit können verschiedene Szenarien gerechnet werden.

Zwei Szenarien wurden aufgrund der folgenden Annahmen gerechnet.

Szenario 1 (pessimistisch):

  • Die Abfallmenge nimmt jährlich um 0.5 % zu.
  • Die Technologie zur Metall-Rückgewinnung verharrt auf dem Stand 2018 (Einstellung «Minimal», im Monitoring-Tool, Blatt «Main»).

Szenario 2 (optimistisch):

  • Die Abfallmenge nimmt leicht ab, um -0.5% pro Jahr. Die inländische Abfallproduktion bleibt konstant aber die Importe gehen zurück
  • Die Technologie zur Rückgewinnung der Metalle verbessert sich sprungartig ab 2019 auf die beste verfügbare Technologie. (Einstellung «Potential» im Monitoring-Tool, Blatt «Main»).

Weitere Annahmen, die für beide Szenarien gelten:

  • Die oben dargestellte Klima-Korrektur wird wie in der Vereinbarung vorgesehen nicht berücksichtigt.
  • Per Annahme bleibt die Wärmeabgabe der einzelnen Anlagen konstant, obwohl die Fernwärmenetze weiter aufgebaut werden.
  • Bei den Anlagen, die einen Ausbau bereits geplant und bekannt gegeben haben, und wo eine quantitative Abschätzung möglich ist, wird dies in der Prognose berücksichtigt.

Abbildung 3.6: Verlauf der Netto-CO2-Emissionen als Mio.t CO2-eq: Zielpfad, Szenario 1 und Szenario 2. Nach Szenario 1 wird das Ziel verfehlt. Nach Szenario 2 wird hingegen das Ziel erreicht. Die Witterungskorrektur ist nicht abgebildet und in den Szenarien nicht integriert.

Die zwei abgebildeten Szenarien zeigen ganz klar, dass die Zielerreichung sehr stark von der Entwicklung der verbrannten Abfallmenge abhängt. Allerdings ist die in Szenario 1 angenommene Zunahme kaum realistisch, weil die für 2020 gerechnete Abfallmenge die verfügbare Verbrennungskapazität übersteigen würde. Die aktuelle Auslastung ist tatsächlich bereits sehr hoch und kaum noch zu steigern.

Die Abbildung 3.6 zeigt auch, dass die Zielerreichung massgebend von der Qualität der Metall- Rückgewinnung abhängt:

  • Nach Szenario 1 wird das vereinbarte Reduktionsziel knapp verfehlt.
  • Nach Szenario 2 wird das absolute Reduktionsziel übertroffen. Die kumulierte Emissionsreduktion, die in Abbildung 3.6 nicht ersichtlich ist, liegt bei Szenario 2 mit 0.747 Mio. um 0.253 Mio. Tonnen tiefer als die vereinbarten 1 Mio. Tonnen. Das Ziel der kumulierten Emissionsreduktion wäre damit nicht erreicht.

Die sprunghafte Verbesserung in Szenario 2 erklärt sich einerseits durch die angenommene Abnahme der Abfallmenge (-0.5%), andererseits durch die Verbesserung der Metalle-Rückgewinnung, wobei letztere eine eher optimistische Annahme darstellt. Die seit 2010 realisierte Fortschritte bei der Schlacke-Aufbereitung und der anschliessenden Metallrückgewinnung sind aber beträchtlich und lassen die Hoffnung auf eine weitere starke Verbesserung zu, vor Allem wenn die Metallpreise wieder ansteigen.

Ausserdem werden alle anderen Aufbereitungsanlagen gemäss den neuen Anforderungen der Abfallverordnung optimiert. Seit dem 01.01.2016 darf nämlich der Restgehalt an NE-Metallen in der deponierten Schlacke nur noch 1 Gew.% betragen (statt früher 1.5 Gew.%). Die Optimierungen wurden aber noch nicht überall gemacht.

3.2.2 Projekte mit erheblichem Emissionsminderungspotential

Die KVA sind alle bestrebt, ihre Energieeffizienz zu steigern, insbesondere durch den weiteren Ausbau von Fernwärmenetzen und die Gewinnung von neuen Abnehmern für Prozessdampf. In den meisten Fällen erfolgt dieser Ausbau in kleinen Schritten.

Die folgende Aufzählung ist daher beschränkt auf wenige grosse Projekte mit einem Emissionsminderungspotential > 5‘000 t CO2-eq, die nach 2018 realisiert werden.

  • KVA St. Gallen (SG_3): Am 27. 11. 2017 wurde das Projekt “Ausbau des städtischen Fernwärmenetzes, 2. Ausbauphase” vom Stimmvolk der Stadt St. Gallen angenommen. Die Investitionsumme beträgt über 60 Mio. CHF. Durch dieses Projektes soll die Wärmeabgabe der KVA (2017: 80’572 MWh) bis 2022 verdoppelt werden. Wieviel von der resultierenden Emissionsminderung als Emissionsbescheinigung im Rahmen eines Kompensationsprojektes oder vom Kanton im Rahmen des Förderprogramms geltend gemacht werden, ist allerdings ein grosser, noch unbekannter Unsicherheitsfaktor

  • KVA Linth (GL_1): Bau einer Fernwärmeleitung bis zum Eternit-Werk, mit diversen Anschlüsse auf dem Weg. Die Inbetriebnahme erfolgte im Frühjahr 2018. Die Wärmeabgabe könnte mit dem weiteren Ausbau des Netzes bis um 20’000 MWh in 2020 steigen. Wieviel von der resultierenden Emissionsminderung als Emissionsbescheinigung im Rahmen eines Kompensationsprojektes oder vom Kanton im Rahmen des Förderprogramms geltend gemacht werden, ist allerdings ein grosser, noch unbekannter Unsicherheitsfaktor.

  • Monthey (VS_3): Bau einer Dampfleitung zwischen KVA und CIMO (2021) mit einem geschätzten Emissionsminderungspotential ca. 50’000 t CO2-eq. Der Bau verzögert sich, ist aber immer noch beabsichtigt. Wieviel von dieser Emissionsminderung als Emissionsbescheinigung im Rahmen eines Kompensationsprojektes geltend gemacht werden, ist allerdings ein grosser, noch unbekannter Unsicherheitsfaktor.

  • Perlen (LU_2): Ausbau Fernwärmenetz Rontal und Transportleitung Perlen-Emmen (Inbetriebnahme Herbst 2018). Emissionsminderungspotential schwer abschätzbar, wahrscheinlich über 10’000 t CO2-eq. Wieviel von dieser Emissionsminderung als Emissionsbescheinigung im Rahmen eines Kompensationsprojektes geltend gemacht werden, ist allerdings ein grosser, noch unbekannter Unsicherheitsfaktor.

  • Josefstrasse (ZH_5): Schliessung der Anlage im Frühling 2021. Die Abfallmenge, die hauptsächlich aus Deutschland importiert wird, wird nicht mehr importiert. Emissionsminderungspotential ca. 25’000 t CO2-eq. Die Fernwärmeversorgung wird durch den Bau einer Heisswasserleitung Hagenholz-Josefstrasse gewährleistet, was zu Emissionsminderungen bei der KVA Hagenholz (ZH_4) führen wird. Das Emissionsminderungspotential ist noch nicht quantifizierbar.

  • Ausbau Fernwärmenetz Limmattal. Nach einem rechtskräftigen Beschluss der Trägergemeinden zu einem Investitionskredit von 100 Millionen soll sich der Wärmeabsatz der KVA Dietikon (ZH_1) bis 2030 versechsfachen. Wieviel von diesem Projekt bis 2020 realisiert wird, und wieviel von den erzielten Emissionsminderung als Emissionsbescheinigung im Rahmen eines Kompensationsprojektes geltend gemacht werden, ist zur Zeit nicht abschätzbar.

  • UTO Uvrier (VS_2): Die Walliser KVA strebt ein gesetzkonformes Wirkungsgrad von 55% und hat mit einem massiven Ausbau des Fernwärmenetztes angefangen. Im Jahresbericht 2017 wird 100’000MWh als Zielwert für den Wärmeabsatz erwähnt (gegenüber 16’548 MWh in 2018). Wieviel von diesem Potential bis 2020 realisiert wird, ist schwer abschätzbar.

3.2.3 Exogene Faktoren, die die Zielerreichung beeinflussen

Klimaerwärmung: Ob die ausserordentlich milden Winter 2013/2014 und 2014/2015 unmittelbar auf die globale Klimaerwärmung zurückzuführen sind, ist eine Frage, die den Rahmen dieses Berichts sprengt. Es ist aber eine Tatsache, dass diese zwei Winter sehr mild waren, und dass die Zielvereinbarung die Wärmeabgabe sehr stark gewichtet. Es wurde oben gezeigt, dass die Wärmelieferungen der KVA stark witterungsabhängig sind. Bleiben die Winter bis 2020 so mild wie diejenigen der letzten Jahre, wird dies die Zielerreichung massiv erschweren.

Bruttoinlandprodukt BIP: Die produzierte Abfallmenge wächst tendenziell mit dem individuellen wirtschaftlichen Wohlstand, mit der Bevölkerung und mit der Industrieproduktion. Diese drei Grössen fliessen in die Berechnung des Bruttoinlandprodukts ein. Für die Periode 2010-2018 ist zwar keine unmittelbare Koppelung des BIP mit der verbrannten Abfallmenge zu erkennen (vgl. Abbildung 2.2). Im mehrjährigen Trend kann man aber sagen, dass eine Zunahme des BIP zu einer Zunahme der Abfallmenge führt. Die weiterhin gute Verfassung der Schweizer Wirtschaft und die anhaltende Zunahme der Wohnbevölkerung deuten auf eine künftige Zunahme der Abfallmenge. Die Abfallmenge hat einen sehr grossen Einfluss auf die Zielerreichung. Daher wird das vorhergesagte BIP-Wachstum (KOF-Konjunkturprognose von Juni 2019: +1.6 % für 2019, +2.3 % für 2020) die Zielerreichung erschweren. Insbesondere das Wachstum des Warenimportes ist relevant, denn die importierte Waren werden einmal zum Abfall. Für 2019 prognostiziert die KOF einen Anstieg des Warenimports von 3.9%.

Starker Franken: Einfluss auf industrielle Produktion: Einige KVA liefern ihre Wärme fast zu 100 % als Prozessdampf an Industriekunden. Es sind insbesondere die KVA Gamsen (VS_1, Lieferungen an die Lonza AG), die KVA Weinfelden (TG_2, Lieferungen an die Papierfabrik Model) und die KVA Perlen (Renergia, LU_2, Lieferung an die Perlenpapier). Insbesondere die zwei Papierfabriken sind nach der Aufhebung des Mindestkurses einem stärkeren internationalen Konkurrenzdruck ausgesetzt. Die Schliessung eines dieser zwei Werke würde die Zielerreichung stark erschweren.

Kapazitätsengpass bei der Abfallverbrennung in Europa: In der EU sind die Deponien zunehmend voll. Ausserdem wird das Deponieverbot für brennbare Abfälle immer konsequenter durchgesetzt. Der 2016 beobachtete europaweite Kapazitätsengpass für die thermische Verwertung von brennbaren Abfällen hält immer noch an. Als Folge davon bleiben die Annahmepreise der Verbrennungsanlagen in der EU auf einem hohen Niveau und der Druck, Abfälle in der Schweiz zu exportieren, bleibt sehr gross.

Kunststoffsammlung in der Schweiz führt zu mehr Abfallimporten: Die in der Schweiz gesammelten Kunststoffabfälle werden exportiert und in grossen Sortieranlagen in Deutschland oder Österreich sortiert. Diese Sortieranlagen produzieren sehr viel Sortierresten, hauptsächlich aus der Sortierung von deutschen oder österreichischen Abfällen (Gelber Sack). Die Transportunternehmen bringen Kunststoffabfälle aus der Schweiz und nehmen Sortierreste aus Deutschland und Österreich auf dem Rückweg. Diese Sortierreste werden zum Teil in der Zementindustrie, aber hauptsächlich in den Schweizer KVA verbrannt. Weil die ausländischen Sortierreste eine höhere Dichte als die Schweizer Kunststoffabfälle aufweisen, führt diese Optimierung der Logistik zu einer überproportionalen Zunahme der Abfallimporte in der Schweiz.

Neue Abfallverordnung: Seit dem 01.01.2016 ist die revidierte Abfallverordnung in Kraft. Diese schreibt vor, dass 55 % des Energiegehalts des Abfalls ausserhalb der Anlage genutzt werden müssen (VVEA Art. 32 Abs. 2 Bst. a). Zur Erreichung dieses Ziels räumt die VVEA eine Übergangsfrist bis 01.01.2026 ein. Insbesondere in den KVA Sion (VS_2), Biel (BE_2) und Linth (GL_1) werden sehr grosse Investitionen getätigt werden müssen. Dieser Handlungsdruck wirkt grundsätzlich vorteilhaft auf die Erreichung der vereinbarten Emissionsziele. Dieser Effekt ist aber schwer quantifizierbar, weil der Zeitpunkt der Realisierung von Energieeffizienzmassnahmen unbestimmt ist und zwischen 2020 und 2026 liegen könnte. Wenn ausserdem die gewählten Massnahmen auf die Erhöhung der Stromproduktion zielen, werden diese wegen der tiefen Stromgewichtung kaum einen Einfluss auf die Netto-CO2-Emissionen haben.